
Kurzgeschichten
Geschichten, die das (mein) Leben schreibt 😊
Social Walk
Da sind wir also, trotz massivem Feierabendverkehr, pünktlich im Naturschutzgebiet von Bühl um mit Emma an ihrem und unserem ersten Social Walk teilzunehmen.
Ich bin mehr als nur angespannt...
Wir steigen ohne Emma aus dem Auto aus und laufen auf unsere Trainerin zu.
Es kommen immer mehr Leute dazu, allen steht eine ähnliche Anspannung ins Gesicht geschrieben wie mir.
Nach insgesamt dreizehn Teams (Hund und Frauchen/Herrchen → wobei mein Mann der einzige männliche Vertreter war) verkündet die Hundetrainerin, dass wir vollständig sind.
Während sie uns erklärt was wir jetzt nacheinander tun sollen und die Hunde alle noch im Auto warten kommen mir starke Zweifel daran, ob das hier eine gute Idee war...
Während ich versuche meinen Fluchtreflex weg zu drücken war mein Mann mal wieder die Ruhe selbst und scherzte bereits mit den anderen Hundebesitzern.
Nachdem so gut wie keinem wirklich klar war was wir jetzt genau machen sollen liefen wir zu unseren Autos um die Hunde zu holen. Mögen die Spiele beginnen!
Soweit wir verstanden haben, sollen wir jetzt alle nacheinander den Weg entlang laufen und in einem für die Hunde angemessenen Abstand stehen bleiben.
Heißt, an uns laufen gleich elf Hunde vorbei … Ich werde nervös, mir wird heiß und ich beginne zu schwitzen, dabei ist es durch den Wind vom offenen Feld her eisekalt.
Mein Mann hält Emma an der kurzen Leine, so wie wir es in unserer ersten Stunde Hundeschule gelernt haben. Es fällt ihr sichtlich schwer warten zu müssen (die Ungeduld hat sie von mir) während die anderen an uns vorbei gehen. Die einen mit viel gepöbel und die anderen ohne uns überhaupt zu beachten. Bei so gut wie jedem stemmt Emma sich in die Leine und mein Mann gibt alles um sie zu bändigen.
Die Hundetrainerin hat uns alle gut im Blick, ruft uns Anweisungen und Tipps zu während wir versuchen souverän aneinander vorbei zu laufen.
Neben uns steht das Team, dass als Erstes losgelaufen ist. Eine sympathisch wirkende Frau mittleren Alters mit einem kleinen wuscheligen Hund. Vielleicht ein Malteser?
Ihr Hund verhält sich meiner Ansicht nach gar nicht auffällig. Er bleibt sogar brav neben oder hinter ihr sitzen. Ein Unding für Emma!
Mein Mann, der ebenfalls Team Nr. 1 beobachtet hat (wie auch immer ihm das mit der pöbelnden Emma an der Leine möglich war) sieht mich an und sagt leise zu mir: „Bei manchen fragt man sich, warum die überhaupt hier sind.“ Dabei hat er ein lächeln auf dem Gesicht. Schön zu sehen, dass wir uns da so ähnlich sind :-)
Da ertönt die Stimme der Hundetrainerin. Wir sollen als nächstes, immer zwei Teams, nebeneinander parallel laufen. Das eine Team links und das andere Team rechts vom Weg.
Wir achten auf genug Abstand zum Vorderhund, hinter uns läuft zum Glück niemand. Erst mal bleiben die Hunde noch an der kurzen Leine.
Mein Mann hat sichtlich viel Kraft aufzubringen um Emma festzuhalten. Teilweise bekommt sie es ganz gut hin, reagiert sogar auf uns wenn wir sie ansprechen, doch ihre Anspannung ist überdeutlich zu sehen und zu spüren. Ob es ihr mit Hundemassen so geht wie mir mit Menschenmassen?
Wir kommen mit unserer Parallelläuferin ins Gespräch (die Dame von Team Nr. 1) und sagen ihr, das wir den Eindruck haben, dass sie hier gar nicht hingehören.
Sie lächelt leicht, blickt zu ihrem Hund und erklärt uns, das Funny nicht so gut mit anderen Hunden klar kommt, sie will sie (das Frauchen) ständig verteidigen. Sie hat keine Ahnung wo das her kommt, aber naja, irgendwas muss sie ja wohl falsch gemacht haben, auch wenn sie sich nicht erklären kann was.
Bei ihren Worten verändern sich ihre Mimik und Körpersprache, sie wirkt kurz traurig und schuldhaft.
Ich lächle leicht und versuche sie aufzumuntern: „Naja, immerhin ist es doch beruhigend, dass wir alle mehr oder minder aus dem Gleichen Grund heute hier sind. Unsere Hunde pöbeln!“
Sie stimmt mir lachend zu.
Kurz darauf kommen ganz vorne an der großen Kurve einige Spaziergänger, Jogger, Radfahrer (darunter auch Kinder) uns entgegen. Na super! Jogger und Radfahrer findet Emma ganz toll, alles was wegläuft ist schließlich Beute … und der jagt man hinterher.
Und natürlich pflügt gerade ein Traktor das Feld rechts neben uns um.
Die Karawane von Hundeteams bleibt stehen.
Wir sind vierzehn Erwachsene (!) die plötzlich alle nicht wissen, was sie jetzt tun sollen.
Witzigerweise bleiben die anderen auch stehen, abgesehen vom Traktor. Was für ein skurriles Bild!
Die Hundetrainerin reagiert sofort (sie ist übrigens die jüngste von uns allen mit Mitte zwanzig). Wir sollen ganz entspannt und langsam weiterlaufen. Sie hat extra zu Übungszwecken all diese Begegnungen und den Traktor her bestellt.
Wir müssen alle lachen, die Stimmung lockert sich etwas und wir gehen weiter.
Mein Mann muss noch mehr Energie aufbringen um Emma auf der Spur zu halten, sie zieht wie wild hin und her, dreht sich im Kreis und versucht zu den anderen Hunden zu kommen. So langsam verschwindet auch seine innere Ruhe und die Anspannung steigt.
Ich versuche mich unsichtbar zu machen … das hier war meine Idee gewesen. Und momentan sah es so aus, als würde meine süße kleine Emma gleich völlig eskalieren, während mein Mann aussah, als würde er mit einem Stier ringen.
Wie konnte es nur soweit kommen?
Die Worte von Funnys Besitzerin hallen durch meinen Kopf: >offensichtlich ist es meine Schuld< … >ich habe etwas falsch gemacht< … >was auch immer das sein soll< …
Ein resignierendes stöhnen entweicht meinen angespannten Lungen während ich feststelle, dass ich ganz genau weiß, was ich bei Emma falsch gemacht habe.
Als wir Emma geholt haben war ich gerade am Anfang eines schwerwiegenden Burnouts. Auf Grund der Erkrankung war ich nicht die ''Führungsperson'', die sie gebraucht hätte. Ich habe ihr keine klaren Grenzen gesetzt und schlimmer noch, ich habe sie nicht beschützt als sie es gebraucht hätte.
Tränen brennen schwer in meinen Augen, ich fühle mich elendig und mache mir Vorwürfe. Mein Magen zieht sich zusammen und mein Kiefer spannt sich an.
Ich habe versagt! und jetzt denkt Emma sie muss alles selber regeln, weil ich es nicht hinbekomme. Sie vertraut mir nicht … sie fühlt sich nicht sicher bei mir.
Glücklicherweise ist mein Burnout über ein Jahr her und ich kann besser mit solchen Momenten umgehen. Als mir auffällt das ich mich gerade in meinem Elend suhle mache ich mir sofort meine positiven Handlungen bewusst. Schließlich habe ich gleich die Hundetrainerin kontaktiert, als Emma anfing Leute anzupöbeln und damit übernehme ich auch die Verantwortung für die Situation!
Ich blinzle die Tränen weg und richte meinen Oberkörper auf.
Nach einer Weile im Training merken wir, dass Emma besser mit den Hundebegegnungen klar kommt, wenn sie viel Abstand hat und in Bewegung bleiben kann.
Nichts desto trotz wird Emma immer wieder aus dem Training genommen weil sie völlig aufdreht, kreist, bellt, knurrt.
Irgendwann laufen alle Hundeteams, außer wir, mit einem sehr geringen Abstand zueinander an einer Schleppleine.
Next Level Baby.
Nachdem alle Hunde sich beruhigt hatten und einigermaßen entspannt mit dieser kurzen Distanz laufen konnten, sollte mein Mann mit Emma in einem großen Bogen an ihnen vorbei laufen.
In Höhe der ersten zwei Hunde ist Emma bereits durch meinem Mann seine Barriere geschlüpft und hat die versammelte Mannschaft lautstark, sich gegen die Leine stemmend, angepöbelt.
Daraufhin gab es eine Kettenreaktion, im Sekundenbruchteil sind alle Hunde aus der Formation ausgebrochen, haben gebellt, wurden aggressiv und manche mussten ganz aus der Situation rausgehen.
In dem Moment wäre ich gerne im Boden versunken vor Scham.🙄
Nicht nur die Hunde auch wir Besitzer waren langsam an unseren Grenzen angelangt, kognitiv wir körperlich.
Während wir den Rückweg einschlugen sollten wir alle ein letztes mal aneinander vorbei laufen.
Emma war mittlerweile derart angespannt, dass wir sie gar nicht mehr erreichten mit unseren Worten. Ihr Verhalten steigerte sich in eine aggressive Form, sie bemerkte nicht mal mehr nach wem sie schnappte, ein anderer Hund oder das Bein von meinem Mann.
Ich war bei dem Anblick wie gelähmt, so hatte ich mein kleines verschmustes Baby noch nie gesehen. Und das will ich auch kein weiteres mal.
Plötzlich wird sie von einem Wasserstrahl im Gesicht getroffen und ihr Verhalten änderte sich schlagartig. Sie wich zurück, schüttelte sich und blickte uns wieder an. Ihr verwirrter Blick sagte so was aus wie: „Oh, ihr seid ja auch noch da!“
Der nasse Wachmacher kam von der Hundetrainerin, sie meinte, dass es das manchmal braucht um den Hund wieder ansprechbar zu machen. Sie gab mir die Wasserflasche für den Rest des Weges mit … es kostete mich unglaublich viel Überwindung Emma damit zurecht zu weisen. Keine Ahnung wieso, ich fühlte mich irgendwie schlecht dabei. Es brauchte zum Glück auch nur noch zwei davon und was soll ich sagen, es funktionierte echt gut.
Als nach anderthalb Stunden endlich alle Hunde wieder in den Autos saßen ging ein Raunen der Entspannung durch die Truppe, Hund wie Mensch waren völlig erledigt.
Die Hundetrainerin gab uns noch ein Feedback: „Nehmt das heute nicht als ein Versagen wahr. Es war Emmas erster Social Walk, alle anderen Hunde waren schon ein paar mal dabei. Sie hat das gut gemacht!“ Ich blicke sie ungläubig an. Unsere Auffassungen von „gut“ gehen definitiv sehr weit auseinander.
„Ihr wisst jetzt, dass sie einen großen Abstand und Bewegung braucht um mit einer Hundebegegnung klar zu kommen. Für den Fall der Fälle besorgt euch eine Wasserflasche die ihr zusammendrücken könnt um sie wieder ansprechbar zu machen. Mit den Erkenntnissen könnt ihr in nächster Zeit mit ihr üben.“
Spannend diese unterschiedlichen Sichtweisen! Für mich war es ein Desaster gewesen, ich fühlte mich meinem Mann und meinem Hund gegenüber schuldig ihnen solch einen Stress bereitet zu haben und sie sah nur den Erfolg darin. Und zugegebenermaßen hatte sie mit ihren Argumenten auch nicht unrecht.
Als wir zum Auto zurückkamen lag Emma auf der Rückbank und schlief bereits tief und fest. Mein kleiner Kontrolleur (ja, sie hat einen Kontrollzwang) hatte nicht mal mehr genug Kraft gehabt um uns durch die Rückscheibe zu beobachten 😊
Inneres Kind
Alles fing damit an, dass ich ein Buch gekauft hatte um von meinen negativen Gedanken weg zu kommen. Darin wurde empfohlen, sich die Dinge die einen beschäftigen und zu negativen Gedanken verleiten als eine Geschichte aufzuschreiben.
Im ersten Moment dachte ich mir: blöde Idee, Geschichten sind dazu da etwas sinnvolles zu erzählen, damit der Hörer danach schlauer raus geht als rein und nicht um meine Unfähigkeit des positiven Denkens zu präsentieren.
Der Gedanke ließ mich aber trotzdem nicht los, ich selbst mag Geschichten sehr. In der Kräuterkunde kann ich mir die Kräuter und deren Wirkung immer besser merken, wenn noch eine spannende Geschichte drum herum ist.
Ich begann mir im Geiste die Geschichte zu erzählen von dem jüngsten Ereignis, dass mich seit fast drei Monaten nicht los ließ:
Leonie parkte rechts am Rand mit Blick auf die umliegenden Berglandschaften. Leider konnte sie sich an der schönen Aussicht nicht wirklich erfreuen so sehr Mutter Natur sich auch bemühte, der Grund ihres Hierseins war einfach zu erdrückend.
Vor zwei Wochen hatte ihre beste Freundin plötzlich um Abstand gebeten und seitdem hatte sie nichts mehr von ihr gehört. Jetzt endlich war der Moment der Aussprache gekommen.
In diesen zwei Wochen hatte sie sehr viel Zeit gehabt sich zu überlegen, was sie wohl getan haben konnte, dass ihre Freundin sich derart von ihr separierte. Dank ihrer blühenden Phantasie hatte sie sich sogar in ihren Träumen verrückt gemacht, wenn sie überhaupt mal schlafen konnte.
Und jetzt sollte sie endlich Gewissheit bekommen, endlich würde sie erfahren...
Plötzlich merkte ich, dass ich zwei Zuhörer hatte und denen gefiel meine Geschichte überhaupt nicht. Ich sah, in einem schönen Garten sitzend, einen kleinen Jungen und ein kleines Mädchen, das aussah wie ich, als ich noch klein war. Lange, dünne, hellblonde Haare zu Affenschaukeln geflochten, ein dünner hagerer Körperbau, eine Haut so weiß wie Schnee und strahlende grüne Augen. Sie trug ein weißes mit Spitze verziertes knielanges Kleid und keine Schuhe.
Der Junge glich dem Mädchen in Körperbau, Haut- und Haarfarbe auch die Augen waren völlig identisch. Die Haare waren kurz und wild zerzaust, er trug ein grünes T-shirt mit einem Eichhörnchen darauf und eine kurze blaue Stoffhose, auch er trug keine Schuhe. Offensichtlich liegen hier keine Hundehaufen herum in die man rein treten könnte.
Sie saßen an einem weißen runden Tisch in einem wunderschönen Garten.
Die Sonne schien hell und trotzdem war die Temperatur angenehm warm, nicht heiß oder schwül. Das Grün des Rasens leuchtete sattgrün, die Bäume waren in allen möglichen Grünfacetten belaubt und spendeten hier und dort dichten Schatten, überall gab es Sträucher die blühten, Blumen die dufteten, Tiere die sich unbeschwert darin bewegten, schliefen, fraßen und Wasser aus dem kleinen Bachlauf tranken. Schaukeln hingen in den Bäumen, eine Hängematte mit Blick in die Baumkronen lud zum dösen ein und ungefähr mittig von alldem ein weißes Rankpavillon umspannt mit herrlich duftenden Rosen in Hellgelb mit zartrosa Streifen am Rand. Und darin saßen die zwei Kinder die mich missmutig ansahen... völlig unpassend zur Umgebung dachte ich mir.
Ich fragte sie weshalb sie so grimmig schauten. Die Antwort kam blitzschnell und mit geballter Emotion von Ungeduld, genervt, wütend und traurig zugleich.
(Mädchen) „Die Geschichte ist doof.“
Der Junge teilte ihre Ansicht: „Ja, die sehen wir seit Wochen in Dauerschleife.“
Häh? Wie Dauerschleife?
(Mädchen) „Ich will das nicht mehr sehen, ich will das nicht mehr fühlen müssen. Meinem Bauch ist immer noch ganz schlecht.“
Das Mädchen weinte, gequälten Blickes hielt sie sich den Bauch, zog ihre Beine auf dem Stuhl heran und vergrub ihre Stirn an ihren Knien. Sie tat mir so leid, es brach mir das Herz sie so hilflos und traurig zu sehen.
(Junge) „Ich will diese Schuldgefühle nicht mehr, ich will wieder lachen und Spaß haben. Warum müssen wir so lange daran leiden? Mach es endlich weg!“
Ich war ziemlich verdutzt über die Ansprache der beiden, aber auch betroffen. Wie konnte jemand den beiden süßen nur etwas antun, dass sie so zur Verzweiflung brachte!?
Meine innere Stimme: Ähm, das warst du!
Was!? Niemals! Ich kenne die zwei nicht mal und außerdem würde ich niemals... doch du kennst sie, um genau zu sein schon dein ganzes Leben lang….
In diesem Moment wollte ich meine innere Stimme boxen. Was erzählte sie da für einen Quatsch!? Ich kannte die zwei nicht.
Ich sah auf und blickte beiden in die Augen, sie erwiderten meinen Blick als würden sie auf etwas warten... diese grünen Augen... meine Augen...
Da begriff ich was hier geschah, die zwei waren mein inneres Kind. Ich dachte immer man hat nur eines.
Da ich vom Sternzeichen her Zwilling bin und mehr mit mir selbst als mit anderen rede überrascht es mich aber auch nicht sonderlich, dass ich anscheinend zwei habe.
Ich freute mich über meinen scharfen Verstand und diese Erkenntnis.
Und im nächsten Moment erwischte es mich eiskalt. Es stimmte also, ICH habe die beiden so verletzt... ja sogar gequält... seit Wochen, mehrmals täglich. Die Vorwürfe, die Schuldgefühle, die Tränen, die Selbstzweifel, das verbale selbst verletzen, all das haben die beiden hautnah mitbekommen... abbekommen. Mein inneres Kind ist ja ich, das bedeutet ich habe zwei kleinen Kindern gesagt wie unnütz sie sind, wie unliebsam, wie falsch für ihre Mitmenschen und wie Schuldhaft am Leid der anderen. Na toll...
Mir war zum heulen zumute. Jetzt fühlte ich mich wieder schlecht, unfähig und schuldig.
Die zwei sahen mich finster an... ach stimmt ja, sie spüren das alles auch... Mist.
Denk an was anderes...
Ich versuchte schnell meine Gedanken zu ändern, was mehr schlecht als recht klappte. Ich sah die zwei verzweifelt an und sprach: „Hört mal, ich wollte euch nicht verletzen, ich wusste gar nicht, dass ich nicht alleine mit mir bin. Und ich will ja auch, dass diese Geschichte endlich zu Ende ist... ich weiß nur nicht wie ich das machen soll, deshalb habe ich mir... äh uns... ja das Buch gekauft!“ strahlte ich sie an.
Die zwei strahlten allerdings eher düster als begeistert zurück.
(Mädchen) „Und du denkst echt die Geschichte die du uns seit Wochen wieder und wieder durchleben lässt endet wenn du sie NOCHMAL erzählst!?“
Ähm... zugegeben das klingt unlogisch... oder mit ihren Worten: ganz schön doof.
Ich: „Habt ihr etwa eine bessere Idee!?“ Mit der Frage kam ich mir ganz schön clever vor. Ob verletztes inneres Kind oder nicht, ich bin hier die Erwachsene, ich weiß wie das Leben läuft und ich bestimme was wir tun.
(Junge) „Wie wäre es wenn du dann auch mal eine erwachsene Entscheidung triffst?“
Häh? Ach Mist, sie wissen ja auch was ich denke ... Man ist der frech … also ich...
(Junge) „Wofür all die Seminare über Glaubenssätze wenn du jetzt nicht bereit bist sie zu ändern? Wofür all die Bücher wenn die Worte doch nur Leere und Untaten hinterlassen haben?“
Wow, ich bin baff. Beschämt muss ich einräumen, dass meine inneren Kinder sich vielleicht doch erwachsener verhalten als ich...
Beide lächeln und funkeln mich weiter mit ihren Augen an.
Keines meiner Selbstgespräche kam mir jemals so schräg vor, wie das hier.
Ich: „Also schön, ihr habt recht... ich weiß über so viele Dinge Bescheid, ich kann sie sogar anderen Menschen beibringen und dennoch stoße ich jetzt an meine Grenzen es selbst umzusetzen... die Situation hat mich völlig aus der Bahn geworfen.“ Ich merke, wie ich langsam wieder verzweifle und mich rein steigere, da stehen plötzlich beide auf, nehmen mich bei den Händen und laufen mit mir durch den Garten.
(Mädchen) „Ich will das wir was anderes machen!“
Tun wir das nicht schon?
In allen Büchern über innere Kinder, die ich bisher gelesen habe, steht man soll sein inneres Kind auf den Schoß nehmen und trösten, ihm erklären, das die verletzenden Dinge von damals mit uns heute als Erwachsene nichts mehr zu tun haben, das man es beschützt und liebt....und hier führen zwei innere Kinder die Erwachsene an der Hand.
(Junge) „Ich weiß auch wie!“
Na jetzt Achtung...
(Junge) „Du erzählst uns nur noch schöne Geschichten! Und lustige!“
Beide sind völlig begeistert von ihrer Idee.
Ich verstehe den Sinn dahinter nicht und frage: „Was soll das denn bringen? In den Ratgebern steht man soll das was einen beschäftigt bearbeiten und loslassen, nicht das was einem Spaß macht.“
(Mädchen) „In deinen Ratgebern steht aber auch man soll sich mit schönen, lustigen Dingen und mit positiven Gedanken beschäftigen um genau davon noch mehr anzuziehen. Warum probierst du das nicht mal aus, statt immer dasselbe, das auch zum gleichen Versagen führt?“
Boah sind die gut! Und frech...
Ich: „Ich gebe es nur ungern zu, ...
(Beide im Chor) „Wissen wir!“ rufen sie, strahlen mich an, lassen meine Hände los und rennen zu den Schaukeln.
Ich sehe den beiden hinterher und fühle mich zum ersten mal seit langem irgendwie leicht und unbeschwert. Es ist schön den beiden zuzusehen, wie sie spielen und aus vollem Herzen lachen.
Ich will, dass sie nie mehr damit aufhören...
Also gut, ich brauche schöne Geschichten! Oder lustige... oder beides...
Mädelstrip
Heute geht es in den Urlaub mit Mama und Oma. Ein nettes Häuschen in Freiburg im Breisgau. Allerdings können wir die Ferienwohnung erst um 17:00 Uhr beziehen.
Mama meinte wir fahren trotzdem um 13:30 Uhr schon los, rufen den Vermieter an und der trifft sich dann mit uns am Edeka, da man mit dem Navi das Haus nicht finden würde. So was gibt es heute noch?
Um 14:15 Uhr haben wir es dann auch geschafft tatsächlich loszufahren. :-)
Der Vermieter war allerdings nicht sehr erfreut, das wir um 15:00 Uhr schon da sein werden, in einem unmissverständlichen Unterton macht er uns klar, dass er vor 16:00 Uhr nicht zum Edeka kommt. Sehr charmant!
Am Edeka angekommen haben wir uns in ein Café gesetzt um ruhig und entspannt in unseren Mädelsurlaub zu starten mit einem Kaffee und einem Stück Himbeerkuchen. Während dem Verzehr kommt plötzlich ein älterer Herr mit sehr langen gewellten Augenbrauen und grauem drei Tage Bart an unseren Tisch und fragt, ob wir diejenigen sind, die sich bei ihm eingemietet haben.
Er war jetzt doch schon um 15:30 Uhr da...
Also haben wir schnell unseren Kuchen und Kaffee runter geschlungen, damit er nicht auf uns warten muss. Wir haben ja schließlich Anstand.
Wir folgen ihm mit dem Auto eine lange gerade verlaufende Straße entlang, vorbei an wunderschönen sattgrünen Wiesen, großen Bauernhäusern und grasenden Kühen auf den Weiden.
Plötzlich blinkt er nach links, für uns drei völlig unerklärlich wo er hin will, der Weg sieht aus wie ein Wanderweg in den Wald... aber er meint es ernst, wir sollen ihm da rein folgen. Einem fremden Mann in den Wald folgen, früher hätte mich meine Mutter davor gewarnt, jetzt fährt sie mich selbst da hin.
Der Weg ist schmal, besteht aus Steinen, Erde, Geröll und ein bisschen Gras → der einzige Halt auf diesem Untergrund! Ach ja und tiefen Furchen, damit die Räder nicht abhauen können 😉
Das Auto wackelt und ruckelt, die Stoßdämpfer werden bis zum Maximum strapaziert, genauso wie die dritten Zähne und die Osteoporose meiner Oma.
Uns schüttelt es hin und her, mehr wie der erste Gang geht gar nicht. Entgegen kommen darf uns hier auch keiner, nirgendwo ist eine Ausbuchtung zum ausweichen.
Wenn mein Vater wüsste wo sein neues Auto jetzt herum fährt würde er heute Nacht vorbei kommen um die Autos auszutauschen 😅
Meine Mama schwitzt Blut und kleine Knochen, nach jeder Kurve hoffend, dass wir endlich da sind. Oma und ich wissen gar nicht wo wir hinschauen sollen aus Fassungslosigkeit und lachen.
Nach dem ersten Schock des Weges hier rauf kam dann auch gleich der nächste.
Die Ferienwohnung ist ein Museumsstück aus den Zeiten ohne Heizung und Elektrizität (wobei immerhin letztere mittlerweile vorhanden war).
Bei der Einführung in die Wohnung erfahren wir dann, dass das Haus nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen ist, es gibt nur Quellwasser, da kann es allerdings öfter mal vorkommen, dass sich Bakterien darin entwickeln (im Moment wisse er die Keimbelastung aber nicht), daher sollen wir bitte zum Zähne putzen nur das Wasser aus den Wasserflaschen benutzen... es stehen drei Flaschen am Waschbecken... wir dürfen ruhig so viel benutzen wie wir wollen... es stehen drei Flaschen am Waschbecken, für drei Frauen, für eine Woche!
Im Wohnzimmer stehen zwei Betten, ein Kachelofen, ein eingerichteter Essbereich, ein Schrank und ein Radio.
Das Radio hat sogar noch ein Kassettenfach, ich liebe Retro :-)
Im Kinderzimmer stehen zwei Betten, mehr passt da auch nicht rein. In meinem Zimmer steht der einzige Kleiderschrank, ein großes Bett und ein Kachelofen der 100 Jahre alt ist und aus einem alten Schloss stammt. Nobel nobel, wie es einer Königin gebührt, also mir.
Das Bad ist zum großen Teil gefliest, teilweise ohne Verfugung. Ich schätze mal aus Sparmaßnahmen.
Immerhin gibt es einen Durchlauferhitzer... wobei ich mir noch nicht sicher bin ob ich bei der höchstwahrscheinlichen Bakterienbelastung duschen möchte.
Die Küche ist klein aber fein, von hier aus wird der große Kachelofen vom Wohnzimmer angefeuert.
Die wichtigsten Geräte sind da, Herd, Kühlschrank, Wasserkocher und Kaffeemaschine.
Meine Mutter stellt nach dem Rundgang fest, das es keinen Fernseher gibt. Als hätten wir hier keine wichtigeren Probleme...
Der Vermieter weist sie darauf hin, dass er in der E-Mail darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Wohnung absolut minimalistisch eingerichtet ist... das scheint meiner Mutter entgangen zu sein... oder sie dachte Minimalistisch enthält einen Fernseher.
Immerhin bekommen wir W-Lan, obwohl er sehr verwundert ist, dass wir das möchten. Was für Gäste hat er denn sonst so hier? Hinterwäldler?
Nachdem er gegangen war haben wir uns unserem Schicksal ergeben. Die Zimmer wurden verteilt und die Öfen angemacht, denn es war Arschkalt in der Wohnung.
Da die Betten eine Maximalhöhe von ca. 50cm aufwiesen, haben wir die Matratzen aufeinander gelegt, unter anderem weil wir uns nicht sicher waren, ob Mama und Oma morgens wieder aus dem Bett hoch kommen würden.
Die Matratzen sind so weich, das ich komplett darin versinke, zu Hause habe ich eine extra harte Matratze... na toll...
Meine Mama, immer noch ganz fassungslos über den fehlenden Fernseher, ruft meinen Vater an um ihn zur Sau zu machen, was er hier bitte gebucht hat! Doch der ist da recht entspannt, sie wollte ja schließlich etwas günstiges.
Abends bemerken wir, das in den offenen Fugen im Bad Käfer und Spinnen hausen. Zudem zieht es extrem obwohl gar kein Fenster im Bad ist. Uns fällt auf, dass die linke Wand nicht gefliest ist, sie hat nur eine Spanplatte drauf geschraubt und an der kommt aus allen Seiten eiskalte Luft und gewährt den Insekten einen Weg ins Warme. Es wird immer besser.
Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb Oma ständig die Toilette nicht findet, sondern immer die Tür zum Mittelgang aufmacht um dann festzustellen, dass sie nicht weiß wo sie jetzt ist. Urlaubsdemenz?
Nächster Tag
Ich wurde damit beauftragt, den Kaffee zu kochen. Kein Problem, Kaffeemaschinen erklären sich ja schließlich von selbst. Die hier nicht, kein Knopf löste das altbekannte gluckernde Geräusch aus. Also frage ich Mama Google nach der Bedienungsanleitung. Trotz verfolgen des Leitfadens tut sich nichts! Meine Stimmung sinkt...
Mama und Oma bringen die Maschine auch nicht zum laufen. Also keinen Kaffee zum Frühstück...
Der Vermieter kommt im Laufe des Tages vorbei und kümmert sich drum. Na immerhin
Wir haben den Tag mit shopping verbracht, abschließend gabs ein Eis und einen Kaffee, der hat allerdings ekelhaft geschmeckt. Wir freuen uns alle schon auf die funktionierende Kaffeemaschine um uns heute Nachmittag einen eigenen Kaffee zu kochen. Zur Feier des Tages holen wir uns ein Stück Kuchen beim Edeka. Aus meiner Intuition heraus habe ich mir vorsichtshalber auch einen Kaffee to go mitgenommen.
Nach dem nervenaufreibendem Aufstieg können wir einen Kaffee zur Beruhigung der Nerven gut gebrauchen! Sobald das Auto seinen letzten Ton von sich gegeben hat atmen wir alle erst mal durch, erleichtert wieder gut hier oben angekommen zu sein.
Mein erster Gang führt mich direkt in die Küche. Ich bleibe abrupt stehen und starre ungläubig auf den Kühlschrank, da wo heute Morgen noch die Kaffeemaschine stand steht jetzt ein Glas mit löslichem Kaffee...
Das kann doch nicht sein ernst sein! Ich hasse löslichen Kaffee.
Meine Mutter und meine Oma pinkeln sich fast in die Hose vor lachen. Mit gespielter Dramatik erkläre ich meinen Unmut über diese Lösung, aber die anderen beiden finden das gar nicht so schlimm. Dafür stört es mich nicht, dass wir keinen Fernseher haben.
Abends dreht Mama wieder ihre Runde um die Öfen an zu machen. Dabei ist schwer zu übersehen, dass im Bad wieder ein reger Zuwachs an Untermieter herrscht. Außerdem stört es uns, dass es im Bad so kalt ist, daher hat sich meine Mama was ganz besonderes überlegt...
Der nächste Morgen
Und wieder ein kalter Morgen ohne Kaffee....
Ich taumle müde ins Bad und checke vor meinem Toilettengang ob Kloschüssel und Fugenritzen safe sind. Dann fällt mir auf, dass um die Spanplatte komplett herum Zeitung rein gedrückt wurde. Ich muss spontan lachen und frage mich ob sie das vor unserer Abreise wieder weg macht oder ob sie ihm ihre Isolierarbeit schenkt?
Nach dem Urlaub
Mama ruft mich an um mir zu sagen dass sie die Ferienwohnung im Internet bewertet hat. Ich bin schon gespannt welche Schimpftirade sie wohl verfasst hat, aber stattdessen gesteht sie, dass sie es nicht übers Herz gebracht hat ihm eine schlechte Bewertung zu geben und so schlimm war das alles doch auch gar nicht... Ahja, das hatte sich die Woche über aber anders angehört.